Da ist "Matze". Er schlürft Kartoffelsuppe auf dem Neupfarrplatz. Matze, mit diesem Namen stellt er sich vor, ist obdachlos, kommt eigentlich aus Lübeck, lebt seit sechs Monaten in Regensburg und wird bald nach Spanien aufbrechen, um dort zu "überwintern". Vor einigen Jahren, erzählt er, hat er seinen Job verloren. Dann die Freundin. Dann die Wohnung. Seither ist er unterwegs. Was er besitzt, passt in einen Rucksack.
Matze ist einer von rund hundert Obdachlosen in Regensburg. Auf deren Situation und auf die Situation vieler anderer obdachloser Menschen rund um die Welt macht der Internationale Tag der Obdachlosen aufmerksam. Am 10. Oktober 2010 wurde er erstmals ausgerufen. Die Caritas Regensburg beteiligte sich in diesem Jahr wieder mit einer Benefizaktion: Caritasmitarbeiter, darunter der Diözesan-Caritasdirektor Michael Weißmann, schenkten am Neupfarrplatz kostenfrei Kartoffelsuppe aus.
"Wir verstehen uns als Anwalt der Menschen, die auf der Straße leben", sagt Michael Weißmann. Es ist ungemütlich am Neupfarrplatz. Regen nieselt, ein kühler Wind weht, Passanten verstecken sich in ihren Winterjacken und unter Schirmen. "Das Wetter könnte nicht besser sein", sagt der Caritasdirektor. Denn mit eben diesen Bedingungen müssten Obdachlose im Herbst kämpfen. Für deren harte Lebenssituationen wolle die Caritas sensibilisieren. "Wir haben als Caritas den Auftrag genau hinzuschauen und dort zu handeln, wo es nötig und natürlich auch gewollt ist." Er erinnert an den Aufruf von Papst Franziskus: "Geht an die Ränder der Welt!" Damit seien nicht nur die geografischen Ränder gemeint, sondern insbesondere die existenziellen Ränder. Und die gebe es auch "in unserer schönen Stadt Regensburg".
Einer, der täglich an diese Ränder geht, ist Ben Peter, der Streetworker der Caritas. "Die Obdachlosen gehören zur Stadt", sagt er. Seit dem Jahr 2010 arbeitet er als Streetworker in Regensburg und sucht den Kontakt zu Obdachlosen und Suchtkranken, die auf der Straße leben. Die Szene kennt und respektiert ihn. Die Themen Obdachlosigkeit und Sucht seien oft miteinander verwoben, erklärt er. "Wer ein Suchtproblem hat, verliert schnell die Wohnung. Wenn einer obdachlos lebt, kommt die Sucht oft hinterher." Ben Peter hilft den Leuten und berät sie, verteilt mit seinem Lastenrad Essen oder im Sommer kühle Getränke. Er verhandelt mit Behörden und vermittelt Therapieangebote. Ben Peter ist der Kumpel auf der Straße.
Sein Kollege, der Kumpel im Büro, heißt Tobias Mehrbrey und macht ebenfalls bei der Benefizaktion am Neupfarrplatz mit. Der Sozialpädagoge ist Fachberater bei der Wohnungslosen-, Obdachlosen- und Straffälligenhilfe der Caritas Regensburg. Zu ihm kämen die Leute mit konkreten Fragen und Problemen, erklärt er. Der Sozialexperte hilft seinen Klienten beim Ausfüllen von Anträgen, klärt Leistungsansprüche, unterstützt sie bei der Wohnungssuche. Kurzum: Er schafft Perspektiven und eröffnet Menschen neue Chancen, die nahezu alles verloren haben. Weil sie eine Suchterkrankung haben, weil sie aus dem Gefängnis kommen, weil sie am Ende einer Abwärtsspirale angelangt sind.
Wie vielschichtig die Hilfen der Caritas für Obdachlose sind, erklärt Dr. Stefan Gerhardinger, Abteilungsleiter Soziale Dienste bei der Caritas Regensburg. Er sagt: "Obdachlosigkeit ist nicht genetisch bedingt. Es kann uns alle treffen." So unterschiedlich die Problemlagen, so verschieden sind die Hilfen: Sie reichen vom Erstkontakt auf der Straße über die Beratung in den verschiedenen Fachstellen bis hin zur Unterkunft in Übergangswohnheimen – und bis hin zur Suppenküche am Neupfarrplatz zum Internationalen Tag der Obdachlosen. Die Aktion holte alle an einen Tisch, mitten in der Stadt trafen sich auf einen Teller Kartoffelsuppe Matze und der Caritasdirektor, Passanten und Medienvertreter, Betroffene und Unterstützer.
Zusatzinfo: Was ist der Unterschied zwischen obdachlos und wohnungslos?
Wohnungs- und Obdachlose haben eines gemeinsam: Es fehlt ihnen eine Wohnung. Der Unterschied ist, dass die Wohnungslosen dennoch irgendwo unterkommen, bei Freunden, bei der Familie, in Gemeinschaftsunterkünften. Obdachlose hingegen haben im wahrsten Sinne des Wortes kein Dach über dem Kopf. Sie schlafen beispielsweise auf Parkbänken, in Vorräumen von Banken oder in Parkhäusern. Die Caritas schätzt, dass es in Regensburg rund 400 wohnungslose und rund 100 obdachlose Menschen gibt.