In speziellen Lernbüchern werden viele spielerische Übungen angeboten, die gezielt auf eine telefonische Unterhaltung hinarbeiten. Sprachlehrer investieren oftmals viele Übungsstunden in Rollenspiele, um die Schüler auf das Telefongespräch in der neuen Sprache vorzubereiten. Jedoch auch nach einem erfolgreichen Abschluss des Sprachkurses bleibt ein Telefonat oft eine große Herausforderung für viele Sprachlernenden.
Dafür gibt es eine logische Erklärung. Wenn man noch keine ausreichenden Sprachkenntnisse hat, benutzt man verschiedene Mittel, um sich mit anderen zu verständigen: Mimik, Gestik, Körpersprache. Auch mit Dokumenten, Briefen, Bildern und Fotos kann man dem Ansprechpartner andeuten, was man ausdrücken will. Die Ergebnisse solcher Kommunikation sind meistens sehr erfolgreich, besonders wenn die beiden Kontaktierenden sich Mühe geben, einander zu verstehen. Es ist also sehr wichtig, dass sie sich beim Dialog sehen können. Und wenn das nicht möglich ist?
Das Corona Virus hat uns seit einiger Zeit gezwungen, neue Angewohnheiten anzunehmen. Eine von ihnen ist Abstand zu einander zu halten, um die anderen nicht zu infizieren. Für viele Beratungsstellen bedeutet das, dass die Kommunikation mit Klienten nur telefonisch oder online möglich ist.
Mit den deutschen Klienten funktioniert das fast reibungslos. Aber wie soll es mit Migranten und Asylbewerbern gehen, die der deutschen Sprache noch kaum mächtig sind?
Auch das ist möglich, jedoch gestaltet sich so eine indirekte Kommunikation oft sehr mühsam und zeitaufwändig. Um das Problem eines Klienten besser zu verstehen, muss ein Berater mehrere Fragen stellen, die Antworten analysieren und aus denen dann ein Fazit ziehen.
Die nächste Phase besteht aus der Erklärung, was genau der Klient tun soll bzw. welche Hilfe der Berater in dieser Situation anbieten kann.
Oftmals ist auch ein zweites oder drittes Gespräch nötig, um die Hilfsmaßnahmen mit dem Klienten zu besprechen oder um eine andere Lösung des Problems vorschlagen zu können.
Es ist kompliziert, dauert viel länger als bei einer direkten persönlichen Beratung, hat aber auch eine positive Wirkung. In den Zeiten, in denen alle Schulen, auch Sprachschulen, geschlossen sind, aktivieren Neuzuwanderer ihre Deutschkenntnisse selbständig und kümmern sich um deren stetige Verbesserung.
Es hat sich immer erwiesen, dass die eigene Initiative und Motivation über Erfolg oder Misserfolg eines Spracherwerbs entscheidet. Außerdem muss man sprechen, um eine neue Sprache sprechen zu können. Und mit "sprechen" ist "laut sprechen", mit einem "echten Menschen" gemeint. Man darf nicht auf einen Tag in der Zukunft warten, an dem man sich sicher fühlt, um mit einem Muttersprachler reden zu können. Man soll seine Hemmungen überwinden und das Beste aus dem, was man schon kann, tun. Besonders wenn man Hilfe braucht.
Eine alte Weisheit sagt: "Not macht erfinderisch". Das heißt, in schwierigen Situationen findet man neue Lösungen. Es geht auch um den Spracherwerb.
Die letzten drei Wochen haben gezeigt, dass unsere Klienten in der Lage sind, ihre Probleme auch telefonisch mit uns zu besprechen. Sie müssen sich zum Telefonat vorbereiten: einige Wörter nachschlagen, Fragen an Berater formulieren, usw. Das ist für viele Neuzuwanderer eine richtige Arbeit. Aber dann geht es, von Gespräch zu Gespräch besser und produktiver.
Es sieht so aus, als ob heutzutage das Leben selbst zusammen mit dem Corona Virus einen abwechslungsreichen Sprachunterricht gibt.
(Irina Huber)